5. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Inhaltsverzeichnis

  1. Der Arbeitsvertrag
  2. Pflichten des Arbeitgebers
  3. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers
  4. Störungen im Arbeitsverhältnis
  5. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
    1. Allgemeines
    2. Tod des Arbeitnehmers
    3. Aufhebungsvertrag
    4. Fristablauf
    5. Kündigung
    6. Kündigungsschutz
    7. Abfindung
    8. Sozialplanleistungen und Verzicht auf Kündigungsschutzklage
    9. Rolle des Betriebsrats bei der Kündigung
    10. Wiedereingliederungsmaßnahmen
  6. Arbeitsgerichtsbarkeit

5.1 Allgemeines

Das Arbeitsverhältnis endet insbesondere durch Tod des Arbeitnehmers, Aufhebungsvertrag, Zeitablauf und Kündigung.

5.2 Tod des Arbeitnehmers

Der Tod des Arbeitnehmers beendet das Arbeitsverhältnis. Beim Tod des Arbeitgebers endet das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht.

5.3 Aufhebungsvertrag

Allgemeines - Das Arbeitsverhältnis kann genauso beendet werden, wie es begründet worden ist, also durch einen Vertrag. Durch den arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag kam das Arbeitsverhältnis jederzeit aufgehoben werden. Es gelten dann weder Kündigungsvorschriften noch das Mitwirkungsrecht des Betriebsrates. Auch Schwangere, Schwerbehinderte (mit vorheriger Beteiligung des Integrationsamts. Betriebsratsmitglieder und volljährige Auszubildende können einen Aufhebungsvertrag abschließen. Der Arbeitnehmer kann den Aufhebungsvertrag dann allenfalls wegen Irrtums, rechtswidriger Drohung oder Täuschung anfechten.

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer eine Abfindung anbieten, damit dieser den Aufhebungsvertrag annimmt. Für den Fall, dass durch den Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis früher endet, als es bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist enden würde, wird die Abfindung allerdings bis zu 70 % auf das Arbeitslosengeld I angerechnet. Dadurch soll vermieden werden, dass die Solidargemeinschaft letztlich die gezahlte Abfindung finanziert.

Anfechtung - Aufhebungsverträge werden häufig mit der Begründung angefochten, der Arbeitgeber habe durch Täuschung oder massiven Druck, nämlich der Drohung mit fristloser Kündigung oder Einleitung eines Strafverfahrens die Willenserklärung erzwungen. Die Beurteilung einer derartigen Anfechtung erfolgt nach den allgemeinen Regeln aus der nachträglichen Perspektive eines verständigen Arbeitgebers. Streitig ist insofern lediglich, ob auch die Drohung mit einer alternativen ordentlichen Kündigung widerrechtlich sein und ein Anfechtungsrecht auslösen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Drohung immer nur dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer in eine Zwangslage versetzt wird. Das ist jedoch bei der Inaussichtstellung einer ordentlichen Kündigung regelmäßig zu verneinen; sie ist vielmehr als Alltagserscheinung des Arbeitslebens nicht geeignet, unzumutbaren Druck auf den Arbeitnehmer auszulösen.

Aufhebungsvertrag = Individualvereinbarung - Durch die Neuregelung in § 310 IV 2 2. Halbsatz BGB haben sich viele, überwiegend durch die Rechtsprechung bislang noch nicht beantwortete Rechtsfragen ergeben. Bei der Gestaltung von Aufhebungsverträgen bedienen sich fast alle Parteien vorformulierter Standardformulierungen. Diese geben jedoch nur ein Rahmen für die im Einzelfall auszuhandelnden Beendigungsbedingungen vor; den Inhalt selbst berühren sie nicht. Auch bei Aufhebungsverträgen, deren Formulierungen z. B. Formularbüchern entnommen sind, handelt es sich daher zumeist um Individualabreden, die gemäß § 305 b BGB Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingen haben. Daher entfällt auch der Grund für eine Schutzwirkung der AGB-Kontrolle. Hinzu kommt, dass beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages kein strukturelles Ungleichgewicht besteht, denn der Arbeitnehmer ist durch zahlreiche Schutzvorschriften hinreichend geschützt. Die Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB finden also auf den Auflösungsvertrag keine Anwendung.

Formerfordernis - Gemäß § 623 BGB ist für Kündigungen und Auflösungsverträge die Schriftform konstitutiv (im Bezug auf Befristungen gilt die Spezialvorschrift des § 14 Abs. 4 TzBfG!). Nach dem insofern anzuwendenden § 126 BGB ist die eigenhändige Unterschrift oder das notariell beglaubigte Handzeichen erforderlich. Ein Telefax kommt daher gemäß nicht in Betracht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages in elektronischer Form ausdrücklich unzulässig ist, neuerdings indes ein Aufhebungsvertrag per digital signierter E-Mail mittels der qualifizierten elektronischen Signatur möglich geworden ist.

Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Eine rückwirkende Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich rechtlich nicht zulässig, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt. Ist das Arbeitsverhältnis einmal in Lauf gesetzt, kann es verbindlich als nur noch für die Zukunft beendet werden.

Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers - Es besteht für den Arbeitgeber keine grundsätzliche Verpflichtung, den Arbeitnehmer über die sich aus dem Aufhebungsvertrag ergebenden rechtlichen Folgen aufzuklären. Vielmehr muss sich der Arbeitnehmer selbst vor dem Abschluss darüber Klarheit verschaffen, welche Rechtsfolgen dieser Schritt eventuell auslösen wird. Nach der bisherigen Rechtsprechung gab es Hinweis- bzw. Aufklärungspflichten für den Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen, insbesondere dann, wenn der Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Verlust einer Versorgungsanwartschaft verbunden war. Die Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts an die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers sind allerdings inzwischen verschärft worden, z.B. für den Fall von sehr hohen Einbußen bei der Zusatzversorgung, die auf der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhen.

Ob und inwieweit der Arbeitgeber auch über die Auswirkungen einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsvertrages auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. auf die zu erwartende Sperrzeit gemäß § 144 SGB III hinweisen muss, ist nur im Einzelfall unter Abwägung der Interessen der Beteiligten zu beantworten. Der allgemein gehaltene Hinweis, dass mit einer Sperrzeit, über deren Dauer das zuständige Arbeitsamt entscheidet, zu rechnen sei, reicht für die Erfüllung der Aufklärungspflicht durch den Arbeitgeber aus. In diesem Zusammenhang wird übrigens diskutiert, ob die Hinweis- und Ausführungspflichten des Arbeitgebers dann entfallen, wenn der Arbeitnehmer durch einen Rechtsanwalt oder einen Gewerkschaftssekretär vertreten wird oder wenn der Aufhebungsvertrag als Prozessvergleich vor dem Arbeitsgericht geschlossen wird.

Für einen einmal abgeschlossenen Aufhebungsvertrag ist ein gesetzliches Widerrufs- oder Rücktrittsrecht nicht vorgesehen. Achtung: Gelegentlich enthalten Tarifverträge einen Widerrufsvorbehalt im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages.

Dienstwagen - Der Dienstwagen ist bei Verhandlungen über die Ausgestaltung eines Aufhebungsvertrags mit leitenden Angestellten, GmbH-Geschäftsführern und Vorständen häufig ein Streitpunkt. Oft spielen emotionale Dinge beim Statussymbol Dienstwagen eine größere Rolle als rechtliche. Die Vereinbarung, dem Angestellten ein Dienstfahrzeug mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen, ist eine Hauptleistungspflicht, die einen nicht unbedeutenden Geldwert darstellt. Sie ist bei vertraglicher Vereinbarung widerrufbar für den Fall der Kündigung bzw. Freistellung.

Dieses Widerrufsrecht ist jedoch an die Grenzen billigen Ermessens gebunden. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, den Dienstwagen ab erfolgter Freistellung zurückzufordern. Zu Gunsten des Arbeitnehmers dürfte jedoch die eingeräumte erhebliche private Nutzungsmöglichkeit zu berücksichtigen sein. Problematisch gestaltet sich - bezogen auf Ort und Termin - oft die Rückgabe des Dienstfahrzeuges. Ohne gesonderte Regelung ist Erfüllungsort für die Rückgabeverpfichtung grundsätzlich die Betriebsstätte. Für Außendienstmitarbeiter wird vereinzeln vertreten, dass bei Fehlen der Absprache auch der Wohnsitz des Arbeitnehmers als Erfüllungsort angenommen werden kann.

Freistellung - Der Arbeitnehmer ist bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages verpflichtet, seine Arbeitsleistung bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu erbringen. Häufig geht jedoch das Interesse der Parteien dahin, dass eine Arbeitsleistung zwischen Vertragsschluss und Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewünscht ist. Die Parteien können daher im Aufhebungsvertrag die Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu regeln. Diese vertragliche geregelte (aber auch einseitige) Freistellung ist per se eine unwiderrufliche, da sie einen vertraglichen Anspruch garantiert bzw. als einseitige Willenserklärung mit ihrem Zugang wirksam wird. Wichtig: Durch eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers wird der Annahmeverzug des Arbeitgebers mit der Folge beseitigt, dass ein während der Zeit der Freistellung erzielter Zwischenverdienst nicht angerechnet wird, § 615 S. 2 BGB; eine Anrechnung nämlich setzt Annahmeverzug voraus.

5.4 Fristablauf

Wirksam befristete Arbeitsverhältnisse enden ohne weiteres mit Ablauf der vereinbarten Zeit.

5.5 Kündigung

Allgemeines - Grundsätzlich kann jedes Dauerschuldverhältnis durch eine Kündigung, also durch eine einseitige Erklärung beendet werden (wenn es nicht befristet ist und nicht gleichwohl eine Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich vereinbart ist). Bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses - dieses Recht steht beiden Vertragsparteien zu - gelten für den Arbeitgeber jedoch wesentlich strengere Voraussetzungen.

Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung; sie wird also erst mit Zugang wirksam. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es seit einigen Jahren weiterhin der Schriftform (was sich aber immer noch nicht bei allen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herumgesprochen hat); mit diesem Formerfordernis sollen sog. Spontankündigungen, die früher gerne Gegenstand von Arbeitsgerichtsverfahren waren, vermieden werden. Auch die Umdeutung einer formunwirksamen Kündigung in ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages ist nicht möglich, weil auch dieser Schriftform bedarf. Der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll, muss eindeutig angegeben sein. Ansonsten ist von einer ordentlichen Kündigung zum nächsten Zeitpunkt auszugehen; gleiches gilt, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist.

Ordentliche Kündigung - Die ordentliche Kündigung ist die regelmäßige im Gesetz oder im Vertrag vorgesehene Beendigungsform des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung einer bestimmten Frist. Sie kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen ist, da beim ohnehin befristeten Arbeitsverhältnis grundsätzlich kein Bedarf für eine besondere Beendigungsregelung besteht. Früher gab es für Arbeiter und Angestellte unterschiedlich lange Kündigungsfristen. Da dies mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht vereinbar war, hat der Gesetzgeber die Kündigungsfristen betreffenden § 622 BGB neu gefasst. Danach kann das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers - unabhängig ob er Arbeiter oder Angestellter ist - mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats gekündigt werden. Für die Kündigung durch den Arbeitgeber verlängert sich die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis längere Zeit bestanden hat auf höchstens sieben Monate, vgl. § 622 II 1 BGB.

Außerordentliche Kündigung - Die außerordentliche, in der Regel fristlose Kündigung ist stets an einen wichtigen Grund gebunden, Vgl. § 626 BGB. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. das Zuwarten auf den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist muss für den kündigenden Teil aufgrund des Verhaltens usw. des anderen Teils unzumutbar sein.

Die außerordentliche Kündigung muss innerhalb einer zweiwöchigen Ausschlussfrist erklärt werden. Eine wegen Fristversäumnis oder aus anderen Gründen unwirksame außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt umgedeutet werden. Der ggfls. bestehende Betriebsrat ist vor Ausspruch der Kündigung ebenso zu beteili-gen wie bei einem Schwerbehinderten das Integrationsamt (früher Hauptfürsorgestelle genannt); es gelten zwar für beide verkürzte Anhörungsfristen, gleichwohl kann es zeitlich eng werden.

Personenbedingte Kündigung - Der Kündigungsgrund liegt in der Person (meist) des Arbeitnehmers und ist von diesem auch nicht steuerbar. Es handelt sich in der Vielzahl der Fälle um Erkrankungen des Mitarbeiters, die den Arbeitgeber veranlassen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung - Unterfall: Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen - erfolgt nach folgendem Schema:

1. Stufe: negative Gesundheitsprognose - Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit sind - mit Ausnahme ausgeheilter Krankheiten - ein Indiz für eine entsprechende künftige Entwicklung. Bei einer derartigen negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzule-gen, weshalb mit seiner baldigen Genesung zu rechnen ist. Ausgeheile Krankheiten gelten also nicht als besondere für die Zukunft zu berücksichtigende Anfälligkeit des Arbeitnehmers.

2. Stufe erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen - Die prognostizierten Fehl-zeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dazu gehören neben Betriebsablaufstörungen auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers. Solche können dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber für einen Zeitraum von mehr als jährlich sechs Wochen Entgeltfortzahlungskosten treffen. Das Entgeltfortzahlungsgesetz nämlich bürde dem Arbeitgeber eine Entgeltfortzahlung für sechs Wochen auf, hält dies also noch für zumutbar.

3. Stufe: Interessenabwägung - Ist die Prüfung der Stufen l und 2 positiv erfolgt, ist ferner die gem. § 1 II S. 1 KSchG gebotene umfassende Interessenabwägung dergestalt vorzunehmen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis ungestört verlaufen ist und ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält. Ferner sind auch das Alter, die Betriebszugehörigkeit, der Familienstand und die Unterhaltspflichten des Arbeitsnehmers zu berücksichtigen.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in einem älteren Urteil aus dem Jahr 2005 ausgeführt, dass sich aus der Gesamtheit des Krankheitsbildes auch eine persönliche konstitutionelle Schwäche und damit eine besondere Krankheit ergeben kann, weshalb es dann auch nicht entscheidend sein kann, dass die jeweilige individuelle Einzelerkrankung ausgeheilt ist. Würden nämlich all diejenigen Erkrankungen nicht mehr herangezogen werden können, die individuell ausgeheilt sind. sei es einem Arbeitgeber im Falle von häufigen Kurzerkrankungen unmöglich, aus diesem Grund eine berechtigte Kündigung auszusprechen. Daher reicht es auch nicht aus, dass der betroffene Arbeitnehmer die Einzeldiagnosen offenlegt, die Ärzte von der Schweigepflicht entbindet und pauschal behauptet, die Einzelerkrankungen seien jeweils ausgeheilt, Dadurch wird die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten nicht erschüttert. Der Arbeitnehmer muss im Prozess vielmehr darlegen, weshalb künftig trotz gleichbleibend unverändert hoher Belastungen nicht mit weiteren derart hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen ist. Dazu hat er zusätzlich mindestens im Einzelnen konkret vorzutragen. dass die Ärzte die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt haben.

Praxistipp: Häufig fehlt es in Kündigungsschutzprozessen an einem ausreichenden Sachvortrag hinsichtlich er zu erwartenden betrieblichen Störungen, Zu befürchtende Entgeltfortzahlungskosten sind zwar als betrieblicher Grund geeignet, müssen aber eine Größenordnung von mehr als sechs Wochen aufweisen. Sonstige Störungen, etwa Beschwerden anderer Mitarbeiter wegen häufiger Vertretungen, sind im Einzelnen detailliert vorzutragen und zu beweisen.

Verhaltensbedingte Kündigung - Die verhaltensbedingte Kündigung gemäß § 1 II KSchG wird nach folgendem Maßstab geprüft: Die Kündigung hat einen rechtfertigenden Grund, wenn das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbaren anderweitiger Beschäftigung besteht und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheint. Zentral ist also die Frage danach, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen "ruhig und verständig beurteilenden Arbeitgeber" zur Kündigung zu bestimmen. Liegt insofern ein steuerbares Verhalten vor, hat nach dem das Kündigungsschutzrecht beherrschenden ultimaratio-Prinzip zumindest eine erfolglose Abmahnung des Arbeitgebers vorauszugehen.

Abmahnungen sind ausgesprochen formstreng. Sie müssen jeweils drei Aspekte aufweisen:

1. Genaue Beschreibung des Fehlverhaltens - Das beanstandete Verhalten muss sehr genau beschrieben werden. Formulierungen wie: "Das Ihnen bereits mündlich erläuterte Fehlverhalten gibt uns Anlass, eine Abmahnung zu erteilen. " oder "Ihre diversen arbeitsrechtlichen Auffälligkeiten der letzten Wochen veranlassen uns zur Erteilung einer Abmahnung. " reichen nicht aus.

2. Erwartung künftig vertragstreuen Verhaltens - Dem Arbeitnehmer muss deutlich gemacht werden, dass der Arbeitgeber künftig ein vertragstreues Verhalten erwartet, Vorfälle der abgemahnten Art also nicht mehr geschehen.

3. Androhung von Konsequenzen für den Wiederholungsfall - Die Abmahnung muss schließlich Konsequenzen für den Wiederholungsfall androhen, etwa der Art, dass der Arbeitnehmer für den Wiederholungsfall mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss.

Praxistipp: Wegen der Formstrenge empfiehlt es sich, mehrere arbeitsrechtliche Verstöße eines Arbeitnehmers nicht in einer Abmahnung abzuhandeln, sondern jeweils gesondert zu behandeln.

Die dem Arbeitnehmer gegenüber ausgesprochene Abmahnung muss dieser ernst nehmen können. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn in Abmahnungen jahrelang die Kündigung stets nur angedroht worden ist. Ob eine Abmahnung der ernsthaft gemeinten Warnung entbehrt, hängt insbesondere von der Anzahl der vorausgegangenen Abmahnungen ab. In der Regel kann nicht bereits die dritte Abmahnung insofern als entwertet angesehen werden.

Sonderfall: Verdachtskündigung - Der sich auf objektive Tatsachen und Verdachtsmomente gründende Verdacht eines grob vertragswidrigen Verhaltens kann das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen in einem Maße zerstören, dass eine ordentliche Kündigung nach § 1 II KSchG sozial gerechtfertigt ist. Der dringende Verdacht eines Eigentums- oder Vermögensdeliktes zum Nachteil des Arbeitgebers kann sogar eine außerordentli-che Kündigung rechtfertigen. Prüfungsschema der Verdachtskündigung:

1. Stufe: Objektive Tatsachen begründen starke (= dringende) Verdachtsmomente.

2. Stufe: Die Verdachtsmomente sind geeignet, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

3. Stufe: Der Arbeitgeber muss zuvor alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um den Sachverhalt aufzuklären; insbesondere muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.

Stellt sich erst im Laufe des Kündigungsschutzprozesses heraus, dass die Verdachtsmomente unzutreffend waren, hat dies auf die Entscheidung keinen Einfluss, da in diesem Rechtsstreit lediglich die Tatsachen geprüft werden, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorlagen.

Betriebsbedingte Kündigung/ allgemeiner Kündigungsschutz nach dem KSchG - Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber anders als bei der verhaltens- oder personenbedingten Kündigung für die Freisetzung keinen bestimmten Arbeitnehmer im Auge. Vielmehr ist wegen z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Optimierung der Arbeitsabläufe, Auf-tragsrückgang oder gar (Teil-) Betriebsaufgabe ein Arbeitsplatz weggefallen. Unter Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) hat er demjenigen Arbeitnehmer zu kündigen, den die Maßnahme am wenigsten hart trifft. Zunächst muss also festgestellt werden, ob das Kündigungsschutzgesetz überhaupt anwendbar ist:

Das Kündigungsschutzgesetz gilt nur in Betrieben, in denen mehr als (bis zum 31. Dezember 2003) fünf Arbeitnehmer bzw. zehn Arbeitnehmer (ab Einstellung zum 1. Januar 2004) beschäftigt sind, und zwar ohne Berücksichtigung der Auszubildenden; es handelt sich um den sog. Schwellenwert. Es ist ferner nur anzuwenden bei der Kündigung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen bei Zugang der Kündigung ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Soweit das Kündigungsschutzgesetz danach anwendbar ist, darf die ordentliche Kündigung nur dann ausgesprochen werden, wenn sie durch einen anerkannten Kündigungsgrund sozial gerechtfertigt ist, § 1 Abs. 2 KSchG.

Die seit dem l. Januar 2004 geltende Neuregelung des Schwellenwerts im Kündigungsschutzgesetz birgt auch Probleme, z.B. in folgendem Fall: Ursprünglich waren in einem Betrieb sechs Altarbeitnehmer beschäftigt. die am 31. Januar 2003 schon länger als sechs Monate beschäftigt waren, also den allgemeinen Kündigungsschutz nach der früheren Regelung genossen. Nach dem l. Januar 2004 sind dann zwei Neuarbeitnehmer hinzugekommen, während ein Altarbeitnehmer ausschied. Haben unter der Geltung des neuen Kündigungsschutz-gesetzes nun alle Altarbeitnehmer Kündigungsschutz? Dieses Problem ist inzwischen vom Bundesarbeitsgericht entschieden worden: Danach bleibt der unter dem alten Kündigungsschutzgesetz erworbene Kündigungsschutz nur dann erhalten, wenn entweder im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als fünf Altarbeitnehmer im Betrieb verblieben sind oder unter Hinzuziehung der Neueinstellungen der Schwellenwert von 10 Arbeitnehmern überschritten wird.

Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen - Stützt der Arbeitgeber seine Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse, handelt sich also um eine betriebsbedingte Kündigung, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Bei diesen sozialen Gesichtspunkten, die der Arbeitgeber zu beachten und zu werten hat, handelt es sich um Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Anzahl der Unterhaltspflichten und Sehwerbehinderung, wobei keiner dieser Kriterien ein Vorrang gegenüber den anderen zukommt. Die Sozialauswahl, in die Auszubildende selbstverständlich nicht mit ein-zubeziehen sind, kann nur solche Arbeitnehmer betreffen, die in Bezug auf ihre Ausbildung und Tätigkeit vergleichbar sind.

Es kann vorkommen, dass - möglicherweise auch zur Verbesserung der sozialen Stellung eines an sich nicht vorrangig schützenswerten Arbeitnehmers - der Arbeitgeber mit diesen Mitarbeitern vertraglich eine an sich nicht anrechnungsfähige frühere Beschäftigungszeit vereinbart. Diese sich zu Lasten anderer Arbeitnehmer im Betrieb auswirkende Individualvereinbarung darf jedoch nicht rechtsmißbräuchlich sein und nur die Umgehung der Sozialaus-wahl bezwecken, muss vielmehr durch einen sachlichen Grund determiniert sein.

Praxistipp: Die Regelungen der Sozialauswahl werden in der Gerichtspraxis ausgesprochen streng gehandhabt. Daher ist es empfehlenswert, wenn der Arbeitgeber für die einzelnen Kriterien frühzeitig eine allgemeine Wertigkeitstabelle ("Bepunktungsrichtlinie") aufstellt (wenn ein Betriebsrat existiert, geschieht dies im Rahmen einer Betriebsvereinbarung) und sie dann auf den konkreten Fall anwendet. Der Streit zwischen den Parteien beschränkt sich dann meist auf die Vergleichbarkeit des gekündigten Arbeitnehmers mit seinen im Betrieb verbliebenen Kollegen (und natürlich auf das Vorliegen eines Kündigungsgrundes). Weiterhin muss der Arbeitgeber übrigens prüfen, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen beschäftigt werden kann.

Als sonstiges berechtigtes betriebliches Bedürfnis im Sinne von § l III 2 KSchG kann auch die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur berücksichtigt werden. Bei der Bildung der insofern erforderlichen Altersgruppen werden dem Arbeitgeber keine inhaltlichen oder zeitlichen Vorgaben gemacht. Er verfügt hier über einen gewissen Beurteilungsspielraum. Allerdings gehört es zu dem ihm obliegenden schlüssigen Sachvortrag, im Einzelnen darzulegen, welche konkreten Nachteile sich ergeben würden, wenn er die zu kündigenden Arbeitnehmer allein nach dem Maßstab des § l III 1 KSchG a.F. auswählen würde. Dazu gehört die Angabe, wieviel Prozent der potentiell zu kündigenden Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung den jeweiligen Altersgruppen angehörten und wie die einzelnen Kündigungen auf die einzelnen Altersgruppen verteilt sind, damit die bislang bestehende Altersstruktur erhalten bleibt. Wichtig: Es geht also nicht um die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur, sondern nur um deren Erhaltung. Eine nicht stringente Durchführung des Konzepts, z.B. durch Verschiebungen zu Lasten einer Altersgruppe, lässt die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl als sozial ungerechtfertigt erscheinen.

Eine weitere Möglichkeit des Arbeitgebers, den Kündigungsschutz aufzuweichen, ist die nach § l III 2 KSchG mögliche Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl. Dabei muss aber immer eine einzelfallbezogene Interessenabwägung stattfinden, Deshalb ist eine generelle Ausnahme aller Arbeitnehmer mit einer bestimmten Ausbildung aus der Sozialauswahl nicht zulässig. In dieser Hinsicht ist ferner zu berücksichtigen, dass Betriebsratsmitglieder in die Sozialauswahl nicht mit einzubeziehen sind, da sie besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15, IV, V KSchG genießen.

Die vom Arbeitgeber zu treffende Sozialauswahl ist im Übrigen streng betriebsbezogen und auch bei einer entsprechenden Ausweitung des Direktionsrechtes des Arbeitgebers grundsätzlich nicht unternehmensbezogen. Bislang herrschte zwar weitgehend Einigkeit darüber, dass die Sozialauswahl grundsätzlich betriebs- und nicht unternehmensbezogen durchzuführen ist.

Klagefrist - Sofern der Arbeitnehmer der Ansicht ist, dass die ausgesprochene Kündigung nicht gerechtfertigt ist, muss er binnen drei Wochen beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erheben, § 4 KSchG. Nun muss der Arbeitgeber seine Kündigung rechtfertigen und die dafür angegebenen Gründe darlegen und beweisen

Weiterbeschäftigungsanspruch - Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmers ist gemäß § 102 V BetrVG nur dann möglich, wenn der Betriebsrat im Rahmen seiner Beteiligung der beabsichtigten Kündigung durch den Arbeitgeber widersprochen hat.

Änderungskündigung - Eine Änderungskündigung bezweckt die Änderung einzelner Arbeitsbedingungen. Sie liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und dem Arbeitnehmer gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet, vgl. § 2 KSchG. Eine Änderungskündigung ist auch als außerordentliche Kündigung zulässig, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die neuen Bedingungen für den Arbeitnehmer zumutbar sind.

Vorrang der Änderungskündigung: Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr entschieden, dass eine Beendigungskündigung gegen das Verbot der Verhältnismäßigkeit verstößt, wenn es dem Arbeitgeber möglich ist, den Arbeitnehmer zu veränderten Bedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen. Für die Beendigungskündigung liege insofern kein dringendes Bedürfnis vor.

5.6 Kündigungsschutz

Allgemeiner Kündigungsschutz - Der Allgemeine Kündigungsschutz ist oben dargestellt worden.

Kündigungsschutz bei Änderungskündigung - Das Kündigungsschutzgesetz ist auch bei Änderungskündigungen anwendbar. Allerdings sollte der Arbeitnehmer das Arbeitgeberangebot für die geänderten Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt ist. In diesem Fall riskiert er nicht den Verlust des Arbeitsplatzes, wenn sich die Klage auf Feststellung, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin hinaus unverändert fortbesteht, am Ende als unbegründet erweist. Ist die Klage begründet, gelten die ursprünglichen Arbeitsbedingungen. Der Arbeitgeber hat entsprechende Nachzahlungen zu leisten. Das Gebot der Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung gilt auch für die Änderungskündigung.

Kündigungsschutz für bestimmte Arbeitnehmer - Folgende Arbeitnehmer genießen besonderen Kündigungsschutz:

Betriebsratsmitglieder und andere Funktionsträger der Betriebsverfassung genießen gem. § 15 I 1 KSchG besonderen Kündigungsschutz. Ihnen gegenüber ist die ordentliche fristgemäße Kündigung unzulässig. Der besondere Kündigungsschutz endet erst ein Jahr nach Ablauf der Amtszeit. Dieser nachwirkende Schutz gilt auch für Ersatzmitglieder, selbst wenn diese nur vorübergehend stellvertretend für ein verhindertes Betriebsratsmitglied tätig geworden sind. Bei Betriebsstilllegungen gelten Sonderregelungen, § 15 IV und V KSchG. Soll einem Betriebsratsmitglied außerordentlich gekündigt werden, bedarf diese Kündigung gem. § 103 I BetrVG zusätzlich der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats.

Schwerbehinderten darf nur aus wichtigem Grund oder mit Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden, §§ 85 ff. SGB IX; dieses prüft, ob die Kündigung in Bezug auf die Schwerbehinderung zu Unrecht erfolgt ist, § 81 IV SGB IX. Zu diesem Thema zwei Praxistipps: 1. Bis in die jüngste Vergangenheit war das Integrationsamt im Rahmen einer Arbeitgeberkündigung bereits dann beteiligen, wenn der betroffene Arbeitnehmer lediglich einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung (oder Gleichstellung) gestellt hatte. Drohte also insbesondere eine außerordentliche Kündigung, stellte der Arbeitnehmer schnell einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung und die in Unkenntnis dieses Umstands ausgesprochene Kündigung lief ins Leere. Diese in vielerlei unbefriedigende Regelung ist inzwischen durch Einfügung des § 90 IIa SGB IX geändert worden: Die Beteiligung des Integrationsamts ist danach erst erforderlich, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft tatsächlich festgestellt ist. - 2. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer muss seinen Status der Schwerbehinderung dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht mitteilen, verzichtet so also auf seinen erhöhten Urlaubsanspruch; der Arbeitgeber kann so also bei einer Kündigung das Integrationsamt gar nicht beteiligen. so dass die Kündigung aus formellen Gründen unwirksam ist. Im Falle einer ordentlichen Kündigung muss diese also nachgeholt werden (volles Programm einschließlich Betriebsratsbeteiligung), die außerordentliche Kündigung ist wegen der zwei-Wochen-Frist des § 626 II BGB nicht mehr zu schaffen, so dass der zugrundeliegende Sachverhalt vom Arbeitgeber nur noch im Wege einer Abmahnung sanktioniert werden kann. Übrigens: Nach erfolgter Zustimmung des Integrationsamts muss die Kündigung gem. § 88 III SGB IX binnen Monatsfrist erklärt werden, sonst verliert die Zustimmung ihre Wirkung.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einer Frau ist während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen nach Kündigungszugang mitgeteilt wird.

Dieser besondere Kündigungsschutz ist allerdings nicht auf wirksam befristete Arbeitsverhältnisse anwendbar. Nach Ausspruch einer (auch unwirksamen) Kündigung ist ein Verzicht auf den besonderen Kündigungsschutz möglich. Völlig unabhängig davon kann die betroffene Arbeitnehmerin natürlich eine Eigenkündigung erklären und auch einen Aufhebungsvertrag abschließen. Eine außerordentliche Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist ausgesprochen schwierig, weil das zuständige Landesamt vorher zustimmen muss, sich aber meist zugunsten der Schwangeren entscheidet.

Müttern, die den Elternzeit in Anspruch nehmen, darf der Arbeitgeber während der Elternzeit nur in besonderen Ausnahmefällen und mit Zustimmung des zuständigen Landesamts kündigen. Aber Achtung: Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld (kalendertäglich höchstens 13,00 Euro) entfällt dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung der Arbeitnehmerin oder durch einen Aufhebungsvertrag beendet worden ist, und zwar ebenso wie der Zuschuss.

Auszubildenden darf ebenfalls nur außerordentlich gekündigt; je weiter die Ausbildung (zeitlich!) fortgeschritten ist, desto höhere Anforderungen werden an das auslösende Fehlverhalten des Auszubildenden gestellt.

5.7 Abfindung

Viele Kündigungsschutzklagen werden mit dem Ziel erhoben, den Arbeitgeber im Verfahren zur Zahlung einer Abfindung zu bewegen. Einen regelrechten Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers gab es bis vor kurzem nämlich nur unter den Voraussetzungen des § 9 KSchG, der in der Praxis nicht vorkommt. Inzwischen ist § la KSchG eingefügt worden, wonach der Arbeitnehmer "mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung" hat. Weiter heißt es in § la KSchG: "Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann."

Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis - soweit ersichtlich - nur wenig Gebrauch gemacht. Die Abfindung bemisst sich gem. § la Il KSchG nach dem letzten Bruttoentgelt. Für jedes Jahr der Beschäftigung (mehr als sechs Monate werden auf ein volles Jahr aufgerundet) wird ein halbes Bruttoentgelt gerechnet. Wichtig: Bei der Bemessung des Bruttoentgelts werden übrigens Sondergratifikationen, Sachbezüge (Privatnutzung des Dienstwagens!) usw. monatsanteilig hinzugerechnet. Mit dieser Regelung ist jetzt die vorher in der gerichtlichen Praxis geübte Handhabung der Ermittlung der Höhe von Abfindung erstmals normiert worden.

Stirbt der Arbeitnehmer nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses, so treten seine Erben ohne weiteres auch bezüglich der vereinbarten Abfindung an die Stelle des Erblassers. Der Eintritt des Todes des Arbeitnehmers vor Fälligkeit der Abfindungen stellt die Frage nach der Vererblichkeit. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der per Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindungsanspruch jedenfalls dann erst zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt entsteht, wenn die Regelung im Zusammenhang mit einer Frühpensionierung steht und im Aufhebungsvertrag selbst kein früherer Entstehungszeitpunkt bestimmt ist. Hier ist ein Übergang auf die Erben somit nicht möglich. Praxistipp: lm Aufhebungsvertrag muss eine Regelung über die Fälligkeit und Vererblichkeit der Abfindung getroffen werden, jedenfalls bei erheblicher Diskrepanz zwischen Vertragsabschluss und rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Gerichtliche Vergleiche nehmen - jedenfalls bei längeren Kündigungs-fristen - den Fälligkeitstermin der Abfindung wie auch deren Vererblichkeit in den Vergleichstext mit auf.

Die oben dargestellte Standardformel für die Berechnung der Höhe der Abfindung wird bei Verhandlungen durch den prozessualen Risikofaktor relativiert. Dabei geht es darum, unter prognostischer Einschätzung eines späteren gerichtlichen Vorschlags ein angemessenes erstes Angebot zu unterbreiten. Dies ist ein weites Feld für Verhandlungen, in denen Taktik, Psychologie und Emotionen eine große Rolle spielen. Jedenfalls sollte der Fälligkeitszeitpunkt deutlich vereinbart werden. Ohne klare vertragliche Vereinbarung soll nach herrschender Meinung die Abfindung erst zu dem Zeitpunkt fällig sein, in dem das Arbeitsverhältnis endet.

Beitragsfreiheit: Eine Abfindung, die als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wird, ist sozialversicherungsabgabenfrei, solange sie nicht ein verstecktes Arbeitsentgelt darstellen. Nach § 143 a SGB III sind vom Arbeitgeber gezahlte Abfindungen auf das Arbeitslosengeld, dass der Arbeitnehmer nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses bezieht, anzurechnen: Hat der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten oder zu beanspruchen, kann es zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kommen. Diese Rechtsfolge tritt dann ein, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, also auch bei vorzeitigem Ausscheiden durch Aufhebungsvertrag; die Solidargemeinschaft der Versicherten soll die durch Verkürzung der Kündigungsfrist regelmäßig höhere Abfindung nicht mitfinanzieren. Eine Tabelle der entsprechenden Anrechnungssätze enthält § 143 a 1 SGB III.

Das Ruhen des Anspruchs bedeutet, dass der Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld (= ALG I, ALG II ist die frühere Arbeitslosenhilfe) für eine bestimmte Zeit hinausgeschoben wird. Neben dem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld besteht auch kein Krankenversicherungsschutz. Dieses Ruhen allerdings hat keine Verkürzung des Bezugszeitraumes zur Folge. Der Ruhenszeitpunkt beläuft sich auf maximal ein Jahr. Praxistipp: Bei Aufhebungsverträgen sollte im (sozialrechtlichen) Interesse des Arbeitnehmers darauf geachtet werden, dass die geltende ordentliche Kündigungsfrist eingehalten wird; nur so kann vermieden werden, dass die Rechtsfolge des § 143 a SGB III eintritt.

Vom Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist die sog. Sperrzeit gem. § 144 I SGB III zu unterscheiden. Diese kommt insbesondere in Betracht wegen Arbeitsaufgabe, Arbeitsablehnung, unzureichender Eigenbemühungen und Meldeversäumnis. In Bezug auf § 144 I l SGB III ist insbesondere interessant, dass der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis nicht durch ein eigenes aktives Tun - eine Mitursächlichkeit ist ausreichend - gelöst oder durch vertragswidriges Verhalten Anlass für die Kündigung gegeben haben darf. Werden diese Punkte bejaht, tritt eine Sperrzeit von (bis zu) 12 Wochen ein.

5.8 Sozialplanleistungen und Verzicht auf Kündigungsschutzklage

Der Arbeitgeber hat bei sog. Massenentlassungen ein großes Interesse daran, dass möglichst wenig Arbeitnehmer die Kündigung mit Kündigungsschutzklagen angreifen. Dadurch nämlich entstehen weitere Verfahrenskosten und erhebliche Risiken in Form des Annahmeverzuges bei Unwirksamkeit der Kündigung. Ferner besteht die Gefahr, dass in den gerichtlichen Verfahren Abfindungen gezahlt "werden müssen", die deutlich über die Sozialplanabfindungen hinausgehen. Aus diesem Grunde wird der Arbeitgeber meist bereit sein, hohe Abfindungen zu vereinbaren, um den Arbeitnehmer davon abzuhalten, eine Kündigungsschutzklage zu erheben.

Darüber hinaus wird der Arbeitgeber bereit sein, zusätzlich zum Sozialplan weitere freiwillige Betriebsvereinbarungen abschließen (zu wollen), wonach die Arbeitnehmer, die keine Kündigungsschutzklage erheben, über den Sozialplan hinausgehende Leistungen erhalten. Solche zusätzlichen Leistungen, sogenannte On-Top-Abfindungen oder "Sprinter-Prämien", sind allerdings nur dann zulässig, wenn sie sich im weitesten Sinne von der Höhe her an den Kosten eines gültigen Verfahrens orientieren.

Ist aber der Sozialplan nur mit Minimalabfindungen ausgestattet und verspricht der Arbeitgeber nicht klagenden Arbeitnehmern darüberhinaus Abfindungsleistungen, die unter Umständen deutlich über die Sozialplanabfindungen hinausgehen, so dürften solche Regelungen unwirksam sein. Nach dem Maßregelungsverbot des § 612 a BGB nämlich darf ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht benachteiligt werden, wenn er seine Rechte in zulässiger Art und Weise ausübt.

5.9 Rolle des Betriebsrats bei der Kündigung

Sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers ist unwirksam, wenn nicht der Betriebsrat vor dem Ausspruch der Kündigung angehört wurde.

5.10 Wiedereingliederungsmaßnahmen

Wiedereingliederungsmaßnahmen sind in der Praxis recht häufig. Bei einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wird der behandelnde Arzt häufig vorschlagen, einen sogenannten Arbeitsversuch zu starten und den Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum mit steigender Arbeitsbelastung wieder zu integrieren. Vielfach wird vorgeschlagen, einige Tage mit einer Arbeit von zwei Stunden pro Tag, anschließend mit vier Stunden pro Tag und so weiter zu arbeiten.

Während der Eingliederungsmaßnahme allerdings bleibt der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank und erhält Krankengeld von der Krankenkasse und untersteht nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer kann also, wenn der Arbeitgeber dem Wiedereingliederungsplan zugestimmt hat, zur Arbeit erscheinen, muss dies aber nicht. Sein Arbeitseinsatz ist für den Arbeitgeber am Ende also nicht steuer- oder planbar.