6. Arbeitsgerichtsbarkeit

Inhaltsverzeichnis

  1. Der Arbeitsvertrag
  2. Pflichten des Arbeitgebers
  3. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers
  4. Störungen im Arbeitsverhältnis
  5. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  6. Arbeitsgerichtsbarkeit
    1. Allgemeines
    2. Verfahrensarten
    3. Ablauf des Urteilsverfahrens
    4. Vergleich
    5. Zwang zum Vergleich?
    6. Vertretung, Anwaltsgebühren und Gerichtskosten

6.1 Allgemeines

Für die gerichtliche Austragung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten besteht eine besondere Gerichtsbarkeit in Gestalt der Arbeitsgerichtsbarkeit, § l Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), Sie ist gekennzeichnet durch paritätische Besetzung der Spruchkörper in allen Instanzen mit Laienbeisitzern aus Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut: In erster Instanz sind die Arbeitsgerichte tätig, die Landesarbeitsgerichte bilden durchweg die zweite Instanz, dritte und oberste Instanz ist das Bundesarbeitsgericht.

6.2 Verfahrensarten

Die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit entscheiden bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus unmittelbar damit zusammenhängenden Rechtsverhältnissen im sog. Urteilsverfahren. Die Angelegenheiten des Betriebsverfassungsrechts, der Mitbestimmung oder der Tariffähigkeit werden im sog. Beschlussverfahren entschieden; diese Verfahrensart wird an dieser Stelle nicht weiter behandelt.

6.3 Ablauf des Urteilsverfahrens

Klageerhebung, Zustellung, Terminsanberaumung - Für das Urteilsverfahren gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend; Ausnahmen ergeben sich aus § 46 II Arbeitsgerichtsgesetz. Das Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht läuft allerdings etwas anders ab als die Prozesse vor den ordentlichen Gerichten in Zivilsachen:

Nach Eingang der Klageschrift beraumt das Gericht sofort einen Termin zur Durchführung der Güteverhandlung an und stellt die Klage nebst Terminsladung dem Beklagten zu. Dieser hat die Möglichkeit, seine Einwendungen bis zur Güteverhandlung vorzubringen. Diese Möglichkeit wird allerdings häufig nicht genutzt, meist nicht von sog. Naturalparteien und von Parteien, die von Arbeitgeberverbänden vertreten werden.

Praxistipp: Der Kläger sollte dafür sorgen, dass er vor der Güteverhandlung (schriftlich) das letzte Wort behält, sollte also auch zur die vor "der Güte" erfolgte Klagerwiderung sofort Stellung nehmen: Wenn die Güteverhandlung erfolglos verläuft, also keine abschließende Einigung erfolgt, verfügt das Gericht zur Vorbereitung der Kammerverhandlung für jede Partei eine Schriftsatzfrist (von meist drei Wochen). Wenn der Kläger zuletzt geschrieben habt, ist dann zunächst die Beklagtenseite dran und dann kann der Kläger noch einmal abschließend Stellung nehmen.

Der Beklagten sollte auf jeden Fall noch vor der Kammerverhandlung eine Klagerwiderung abgeben, und zwar aus zwei Gründen: Zunächst behält er auf diese Weise für den Fall der Ergebnislosigkeit der Güteverhandlung das letzte Wort. Darüber hinaus muss das Gericht seine Einwendungen schon vor der Verhandlung kennen, um nicht nur vom Vortrag der Klägerseite beeindruckt zu sein. Das gilt natürlich nur, wenn er dem Klagvorbringen etwas Substantielles entgegenzusetzen haben; ansonsten geht es in der Güteverhandlung nur darum, einen möglichst guten Vergleich für abzuschließen. Wenn der Beklagte in dieser Hinsicht schon Vorstellungen entwickelt hat, sollte er diese dem Gericht (und der Gegenseite) ruhig schriftsätzlich mit; das erleichtert den Einstieg in Vergleichsverhandlungen.

Güteverhandlung - Die Güteverhandlung findet schon etwa drei bis vier Wochen nach Klagerhebung statt. In der Güteverhandlung, bei der das Gericht durch den Vorsitzenden, also dem Berufsrichter allein besetzt ist, wird nur die einvernehmliche Streitbeilegung versucht. Wem dies gelingt, wird ein Vergleich abgeschlossen und das Verfahren ist damit erledigt. Für die Güteverhandlung werden meist 15 Minuten Zeit veranschlagt.

Kammerverhandlung - Klappt es mit der gütlichen Streitbeilegung nicht, folgt etwa drei Monate später die Kammerverhandlung, für die meist eine Stunde Dauer vorgesehen ist. Das Gericht ist dann mit dem bereits bekannten Vorsitzenden der Kammer besetzt sowie mit zwei weiteren ehrenamtlichen Richtern, von denen einer von der Arbeitgeberseite und einer von der Arbeitnehmerseite benannt ist. Diese ehrenamtlichen Richter werden erst unmittelbar vor der Verhandlung von dem Vorsitzenden mit dem Rechtstreit vertraut gemacht, kennen also die Gerichtsakte nicht.

Zu Beginn der Kammerverhandlung führt der Vorsitzende, also der Berufsrichter, kurz in den Sach- und Streitstand ein. Praxistipp: Da die jeweilige Partei nicht weiß, welche für sie wichtigen Aspekte der Vorsitzende den ehrenamtlichen Richtern in der sog. Vorberatung über das hinaus, was in der kurzen Einführung vorgetragen wurde, vermittelt hat, sollte sie die Sach- und Rechtslage aus ihrer Sicht noch einmal mündlich darstellen. Erst dann kann die Partei sicher sein, dass auch die ehrenamtlichen Richter alles das wissen, was sie für entscheidungserheblich halten.

In der Kammerverhandlung werden rechtliche Fragen erörtert und bisweilen auch Tatsachen durch Beweiserhebungen aufgeklärt. Natürlich ist in dieser Phase des Verfahrens immer noch eine gütliche Einigung möglich. Wenn allerdings ein Vergleich auch in der Kammerverhandlung nicht gelingt, wird verhandelt (= Stellung der angekündigten Anträge) wird am Ende der Sitzung (= am Ende des Sitzungstages) ein Urteil verkündet, das in schriftlicher Form etwa zwei bis drei Wochen später vorliegt. Gegen viele dieser Entscheidungen kann dann binnen Monatsfrist nach Zustellung des (vollständigen) Urteils das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt werden.

6.4 Vergleich

Ein Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollte gerichtlich geschlossen werden, da dieser ein Vollstreckungstitel darstellt. Dies ist sein wesentlicher Vorteil gegenüber dem außergerichtlichen Vergleich. Übrigens muss der Vergleich nicht vor dem Prozessgericht geschlossen werden, jedes deutsche Gericht kann ihn protokollieren.

Häufig wird im Vergleich ein Widerruf für eine oder für beide Parteien vereinbart. Wenn der Widerruf nach dem Vergleichstext gegenüber dem Gericht zu erklären wird, ist eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Prozessgegner im Zweifel unwirksam. Wenn die vereinbarte Widerrufsfrist versäumt wird, ist eine Heilung nicht möglich.

Praxistipp: Der Vergleich ist auch gem. § 278 IV ZPO schriftlich möglich. Sobald übereinstimmende Erklärungen vorliegen, erlässt das Gericht einen Beschluss, der ebenfalls einen Vollstreckungstitel darstellt. Wenn sich die Parteien nach einer erfolglosen Güteverhandlung dann doch noch zusammengerauft haben, wird eine der Parteien den gefundenen Vergleich dem Gericht mitteilen. Das anschließende Verfahren wird von den Arbeitsgerichten unterschiedlich gehandhabt: In aller Regel macht sich das Gericht den eingesandten Vorschlag zu eigen, übermittelt ihn Parteien und fordert beide zur schriftsätzlichen Zustimmung auf, nach deren Vorliegen der Beschluss erlassen wird. Einige Gerichte verzichten auf die Zustimmung der Partei, die den Vergleichsvorschlag eingereicht hat und erlassen den Beschluss nach Vorliegen der Zustimmung allen der anderen Partei.

6.5 Zwang zum Vergleich?

Im Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber das Annahmeverzugsrisiko: Stellt sich am Ende heraus, dass die im Streit stehende Kündigung unwirksam ist, muss er den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen und das Arbeitsentgelt sowie die entsprechenden Sozialabgaben nachzahlen, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung der Arbeit verpfichtet ist. Das kann für den Arbeitgeber eine teure Tasse Tee werden, vor allem dann, wenn die Kündigung das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt beenden soll, der erhebliche Zeit vor der Kammerverhandlung liegt. Da gegen das Urteil in der Regel auch das Rechtsmittel der Berufung gegeben ist, lässt sich das Annahmeverzugsrisiko für den Arbeitgeber bei nicht 100-prozentig sicherer Prognose für den Prozessausgang - warum gibt es die schon? - meist gar nicht abschätzen.

Er kann sich auch nicht dadurch schützen, dass er den gegen die Kündigung klagenden Arbeitnehmer bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gericht einfach weiterbeschäftigt. Damit würde er dokumentieren, dass er für den Arbeitnehmer doch noch Arbeit hat, macht sich bei einer betriebsbedingten Kündigung also den Kündigungsgrund kaputt, erschwert jedenfalls aber die Argumentation. Bei einer im Streit stehenden außerordentlichen Kündigung würde der Arbeitgeber durch die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers deutlich machen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses doch nicht unzumutbar ist. Das Risiko bleibt! Daher steht der Arbeitgeber einem Vergleich meist recht aufgeschlossen gegenüber. Mit der Zahlung einer Abfindung kauft er sich Rechtssicherheit.

Aber auch der Arbeitnehmer ist meist vergleichsbereit, denn auch für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung sind seine Tage im Betrieb gezählt. Sein Arbeitgeber hat ihm durch die Kündigung bestätigt, dass er seine Mitarbeit für die Zukunft nicht mehr benötigt. Wenn der Arbeitnehmer dann nach einem gewonnenen Kündigungsschutzprozess in den Betrieb zurückkehrt, spielen in der Regel auch Emotionen eine Rolle, die im äußersten Fall zu Mobbingmaßnahmen seitens des Arbeitgebers führen. Und dagegen ist - mit Ausnahme einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers - kaum ein Kraut gewachsen.

6.6 Vertretung, Anwaltsgebühren und Gerichtskosten

Vertretung ~ Jeder Arbeitnehmer und jeder Arbeitgeber kann sich vor dem Arbeitsgericht selbst oder durch einen Vertreter eines Verbands (Gewerkschaft oder Arbeitgebervereinigung) oder durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Verbandsvertreter können auch die Ver-tretung vor dem Landesarbeitsgericht übernehmen. Vor dem Bundesarbeitsgericht besteht Anwaltszwang. lm außergerichtlichen Verfahren und im Verfahren vor dem Arbeitsgericht trägt übrigens jede Seite ihre außergerichtlichen Kosten, also insbesondere die Anwaltskosten selbst, und zwar unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.

Anwaltsgebühren - Der Rechtsanwalt arbeitet nicht nach einem Stundenlohn. Sein Honorar richtet sich vielmehr nach einem Gegenstands- bzw. Streitwert, der in einem Prozess vom Gericht festgesetzt wird. Die konkreten Kosten werden dann nach einer Gebührentabelle des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) errechnet. In Prozessen vor z.B. dem Amtsgericht oder Landgericht ist es so, dass derjenige, der am Ende verliert, die Kosten insgesamt, also die eigenen Anwaltskosten, die Kosten des gegnerischen Anwalts sowie die Gerichtskosten zu tragen hat.

Im Arbeitsrecht ist dies im außergerichtlichen Bereich und in den Prozessen vor dem Arbeitsgericht anders: Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, also auch bei einem erfolgreichen Ende des Rechtsstreits, muss hier jeder Beteiligte seine Rechtsanwaltskosten selbst zahlen; nur die Gerichtskosten muss im Falle einer streitigen Entscheidung vor dem Arbeitsgericht die unterlegene Partei tragen. Erst in der 2. Instanz, also vor den Landesarbeitsgerichten, gilt wieder die gewohnte Kostentragungsregelung.

Gerichtskosten - Anders als im Zivilrechtsverfahren vor den ordentlichen Gerichten fallen nicht bis zu drei Gebühren an (die im Zivilprozess vom Kläger vorschussweise einbezahlt werden müssen), vielmehr bestimmt das Gerichtskostengesetz andere - niedrigere - Gebühren, die bei einer vergleichsweisen Beendigung des Prozesses ganz entfallen. Ergeht also ein erstinstanzliches Urteil, gibt es auch eine Entscheidung zu den Kosten, die sich indes auf die (überschaubaren) Gerichtskosten beschränkt.